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06.2020

Verhaltensökonomie in der Versicherung – praxisrelevante und preisgekrönte Impulse aus Ulm


Die aktuelle Marktentwicklung zeigt eindrucksvoll, dass aktienbasiertes Sparen ohne Garantien oder andere Sicherheitskomponenten ein erhebliches – zumindest temporäres – Verlustpotenzial bietet. Dies kann dazu führen, dass Verbraucher „kalte Füße bekommen“ und zu niedrigen Kursen verkaufen – selbst wenn ein Produkt ohne Garantie vielleicht eine gute Entscheidung gewesen wäre, wenn man durchgehalten hätte. Umgekehrt ist aber auch unbestritten, dass in der derzeitigen Zinssituation Alters­vorsorge­produkte mit hohen Garantien nur noch ein geringes Renditepotenzial aufweisen können. Der Preis, den man in Form von reduziertem Renditepotenzial für Garantien bezahlt, war vermutlich noch nie so hoch wie heute.

Die Frage, welche Garantie für welchen Kunden bedarfsgerecht ist, ist deswegen wichtiger denn je. Dadurch bekommt auch eine Frage mehr Gewicht, die eine stärkere psychologische Komponente besitzt: Wie kann man erreichen, dass die Akzeptanz von bedarfsgerechten Produkten mit geringeren Garantien steigt? Hier sind Maßnahmen in vielen Bereichen denkbar: Produktdesign, Produkterläuterung und Aufbau des Beratungsgesprächs – bis hin zur Wortwahl bei der Vorstellung von Entscheidungs­möglichkeiten. Diese Themen werden im Falle einer weiteren Rechnungszinssenkung noch mehr an Bedeutung gewinnen, da dann vermutlich nahezu alle Altersvorsorge­produkte eine Garantie unterhalb der psychologischen Schallmauer des Beitragserhalts aufweisen werden.

Zu diesen Fragestellungen haben wir sowohl Beratungsprojekte für Versicherer durchgeführt als auch gemeinsam mit der Universität Ulm die einschlägige Forschung vorangetrieben. Diese Forschungsarbeiten zur Anwendung verhaltensökonomischer Erkenntnisse auf die Versicherungsbranche wurden inzwischen mehrfach preisgekrönt: Die Dissertation von Dr. Stefan Schelling wurde binnen kürzester Zeit mit dem Berliner Preis für Versicherungswissenschaften, dem Excellence Award des Vereins zur Förderung der Versicherungswissenschaft in Hamburg e. V., dem Ernst Meyer Preis der Geneva Association und dem GAUSS Nachwuchspreis der DAV/DGVFM ausgezeichnet.

Die Dissertation beinhaltet vier praxisrelevante Arbeiten:

  • „Jahr für Jahr“-Garantien: Eine bereits zuvor mit dem DIA-Zukunftspreis ausgezeichnete Arbeit (gemeinsam mit ifa-Geschäftsführer J. Ruß) stellt ein verhaltensökonomisches Modell vor, welches die Nachfrage nach „Jahr für Jahr“-Garantien erklären kann. Bisherige Erklärungsansätze – auch die berühmte mit dem Nobelpreis ausgezeichnete „Prospect Theory“ von Daniel Kahneman und Amos Tversky – waren hierzu nicht in der Lage.
  • Attraktivität kollektiver Sparprozesse: Eine weitere Arbeit (ebenfalls gemeinsam mit J. Ruß) analysiert die Attraktivität kollektiver Sparprozesse, wie sie in klassischen Versicherungsprodukten anzutreffen sind und kommt zum Schluss, dass bei geeigneter Ausgestaltung auch kollektive Sparprozesse ohne Garantie attraktiv sind.
  • Life-Cycle Fonds: Die dritte Arbeit (gemeinsam mit J. Ruß und dem ifa-Kollegen S. Graf) erklärt, warum Life-Cycle Fonds, die ein rationaler Kunde nicht kaufen sollte, dennoch subjektiv attraktiv wirken. Diese Erkenntnisse sollten insbesondere im Umfeld von sogenannten PEPPs berücksichtigt werden, da ja von manchen Marktteilnehmern gefordert wird, dass Life-Cycle Fonds hier eine herausragende Stellung einnehmen sollten.
  • Framing bei der lebenslangen Rente: Die vierte Arbeit (in Alleinautorenschaft) legte die theoretische Grundlage für die inzwischen weit bekannte ifa-Studie zu Nutzen und Akzeptanz lebenslanger Renten, die unter anderem zeigt, dass und warum die Akzeptanz von lebenslangen Renten steigt, wenn sie als Absicherung des Konsumbedarfs und nicht als Investment erläutert werden.

Dr. Stefan Schelling wird erfreulicherweise auch nach Abschluss seiner Dissertation an der Universität Ulm die Forschung zur Verhaltensökonomie in der Versicherung weiter voranbringen und unsere Beratungsprojekte zum Thema Verhaltensökonomie unterstützen. Neben unseren Beratungsprojekten haben wir inzwischen auch gute Erfahrungen mit Weiterbildungsvorträgen für Entscheider der Versicherungsbranche sowie unterhaltsamen, „leicht verdaulichen“ Vorträgen für Versicherungsvermittler gemacht, in welchen wir die Relevanz des Themas für die Versicherungsbranche erläutern.


Weitere Informationen:

Prof. Dr. Jochen Ruß
+49 (731) 20 644-233

Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften
Max-Born-Str. 12
89081 Ulm

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